Dienstag, 28. Dezember 2010

Predigt von Bischof Zsifkovics am 25.12.2010

Das christliche Weihnachtsbrauchtum und die Symbole, mit denen wir in diesen Tagen unsere Wohnungen und Kirchen schmücken sind vielfältig und tiefsinnig. Die Christbäume erinnern uns an den Baum des Lebens im Paradies. Die Kugeln sind die Äpfel an diesem Baum. Die Kerzen weisen auf den Satz im Evangelium hin: „Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt.“ Die Strohsterne sagen: Dieses Kind – auf Heu und Stroh gebettet – kann dein rettender Strohhalm sein. Aber ein Symbol fehlt auf unseren Christbäumen: ein Zelt. Es könnte uns helfen, den Kernsatz der Weihnachtsbotschaft in Erinnerung zu behalten: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“, was aus dem griechischen Text wörtlich besser mit „gezeltet“ zu übersetzen ist.

Ein Zelt würde unseren Blick zurücklenken in die ersten Bücher der Bibel, in die Geschichte des Volkes Israel, das die Bundeslade mit den Gesetzestafeln in einem Zelt aufbewahrte und sich so auf seiner Wüstenwanderung von Gott geleitet wusste.
Ein Zelt würde unseren Blick auch nach vorne lenken auf das letzte Buch der Bibel mit seiner Vision des himmlischen Jerusalem: „Da! Das Zelt Gottes bei den Menschen: Ja, zelten wird er bei ihnen“ – so wird in der Offenbarung des Johannes die endgültige Gemeinschaft mit Gott beschrieben. Im Symbol des Zeltes könnten wir vor allem aber schon das Profil des Menschen erkennen, in dem das Wort Gottes Hand und Fuß bekommen hat.

Aber wie sieht das Profil eines solchen Menschen, des Geburtstagskindes aus?
Wer zeltet, liebt die Freiheit: Er lebt mit der Sonne und unter dem Sternenhimmel. Er will sich nicht festsetzen, sondern beweglich bleiben und weiter-ziehen, wenn Neues lockt.

Wenn Gott in Jesus, dem Kind von Betlehem, bei uns zeltet, dann lässt er uns so seine Freiheitsliebe spüren. Jesus ist immer unterwegs zu den Menschen. Er hat keinen festen Ort, wo er sein Haupt hinlegen könnte. Er befreit die Menschen von Krankheiten und Zwängen. Er lässt sie aufatmen, richtet die Gebeugten auf und kämpft an ihrer Seite gegen die Unterdrücker. Er befreit vom Buchstaben des Gesetzes, indem der die Liebe zum Maßstab der Gebote macht. Er befreit vom Druck alles selbst machen zu müssen. Und er zwingt niemanden, seine Worte anzunehmen. Er gesteht allen die Freiheit zu, sich für oder gegen ihn zu entscheiden. Sehnt sich der moderne Mensch nicht nach dieser inneren Freiheit?

Wer zeltet, lebt auch bescheiden: Er verzichtet auf Komfort und stellt keine hohen Ansprüche. Er schläft auf den Boden und kocht am offenen Feuer.
Wenn Gott in Jesus, dem Kind von Betlehem, bei uns zeltet, dann solidarisiert er sich so mit den armen und einfachen Leuten. Jesus lebt bescheiden. Er setzt sich mit den Kleinen, Schwachen und Ausgestoßenen an einen Tisch, isst und trinkt mit ihnen. Er lässt sich nicht beeindrucken von den Großkopfigen+Hochnäsigen, die sich für besser, klüger und frömmer halten. Und er lädt seine Freunde ein, dieses einfache Leben mit ihm zu teilen. Braucht es in unserer übersättigten Welt nicht Menschen und Christen, die einfach und bescheiden leben?

Wer zeltet, beweist schließlich Mut und zeigt Risikobereitschaft: Er bricht auf zu Expeditionen und abenteuerlichen Reisen. Er setzt sich den Kräften der Natur aus und will neue Erfahrungen machen.
Wenn Gott in Jesus, dem Kind von Betlehem, bei uns zeltet, dann geht er das Risiko ein, in die Hände der Menschen zu fallen. Er scheut nicht den Konflikt mit den weltlichen und religiösen Machthabern. Er sichert sich nicht nach allen Seiten ab, sondern steht für seine Überzeugungen ein. Er konfrontiert Menschen mit den Zumutungen der Bergpredigt. Er ermutigt zum Aufstehen und zum Schwimmen gegen den Strom. Er lädt ein zu Umkehr und Neuanfang.
Braucht es heute nicht Menschen und Christen, die überzeugt, selbstbewusst und mutig aus dem Glauben heraus ihr Leben gestalten und so Kirche + Gesellschaft tragen und mitgestalten?

Das Bild des Zeltes charakterisiert aber nicht nur unser Geburtstagkind. Es zeigt auch ein Programm für alle, die heute sein Fest mitfeiern und in seinem Sinn leben wollen. Es deutet schon an, wie die Weihnachtsgabe zur Weihnachtsaufgabe werden kann, wie wir mithelfen können, dass dieses Wort in unserer Welt nicht verstummt, sondern Fleisch wird.

Weihnachten feiern heißt: Die Freiheit des Wortes respektieren.
Weihnachten feiern heißt: Sich an der Bescheidenheit des Wortes orientieren.
Weihnachten feiern heißt: Sich vom Mut des Wortes provozieren lassen.

Kleine glitzernde Zelte an unseren Christbäumen erinnern uns daran, dass uns in Jesus, dem Kind von Betlehem, ein Gott begegnet, der nicht unter Hausarrest stehen will, sondern die Freiheit, die Bescheidenheit und den Mut/Risiko liebt.

Mein Weihnachtswunsch an Sie und mein Gebet bei der Krippe für Sie und alle Menschen unseres Landes ist die Bitte: Kind von Betlehem, hilf uns, dass wir freiheitsliebende, bescheidene und mutige Christen sind, die wissen, dass Gott mitten unter ihnen zeltet, mit ihnen unterwegs ist in eine gute Zukunft! Amen.

Martinus

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