Freitag, 1. April 2011

Kirchen- oder eine fundamentale Glaubenskrise?

Gastkommentar von Johann Schelkshorn, Ao. Prof. am Institut für Christliche Philosophie der Uni Wien, in "Die Presse" vom 26.3.:

Eine Antwort auf die Kritik von Kardinal Kasper am Memorandum „Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch“


Die große Herausforderung ist, wie die Gehalte des christlichen Glaubens in den Horizont moderner Vernunft zu übersetzen sind. Das Memorandum „Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch“, das von zahlreichen TheologInnen vor allem aus dem deutschen Sprachraum unterzeichnet worden ist, hat eine breite Zustimmung von Gruppen gefunden, die schon lange für die darin angesprochenen Reformen von der Zölibatsfrage bis zu moraltheologischen Problemfeldern eintreten.......

Im Zentrum des Memorandums steht die Stärkung von Mitbestimmung und Autonomie der Gläubigen in der katholischen Kirche. Dies bedeutet keineswegs, wie Kritiker zumeist einwenden, dass der Kirche die Struktur eines säkularen demokratischen Rechtsstaates übergestülpt werden soll und Glaubensfragen einer Mehrheitsentscheidung überlassen werden. Die christliche Idee von Gemeinde (koinonia), die Haltungen der Hingabe an die Armen und Vergebung selbst gegenüber Feinden miteinschließt, geht tatsächlich weit über die Kommunikationsformen demokratischer Willensbildung, jedoch erst recht über klerikal-hierarchische Strukturen, die aus dem Zeitalter des Absolutismus stammen, hinaus. Doch statt demokratische Partizipation zu überbieten, erfolgen Bischofsernennungen in einem für Laien undurchschaubaren Nebel kirchendiplomatischer Interventionen und Intrigen. Auch die im Memorandum erhobene Forderung nach einem Ende des moralischen Rigorismus berührt ein zentrales Problem von Kirche und Moderne, nämlich das Verhältnis von Vernunft und Religion im Bereich der Moral......

Die katholische Kirche droht in Europa an einer inneren Spaltung zwischen antimodernistischen und modernitätsoffenen Strömungen zu zerbrechen. Das Memorandum „Kirche 2011“ fordert im Hinblick auf diese tiefe Krise primär die Beseitigung einiger unnötiger Hindernisse für eine Erneuerung christlicher Lebensformen. Zu diesen Hindernissen gehört, obwohl die Diskussion mehr als redundant ist, auch der Pflichtzölibat für Priester, der bei einer nüchternen Betrachtung der realen Verhältnisse nicht mehr Zeichen einer radikalen Hingabe ist, sondern längst zum Eckpfeiler einer offiziell gewordenen Unmoral und damit zu einem wirklichen Ärgernis geworden ist......
Zum ganzen Beitrag in der Presse

In diesem Zusammenhang von Kirchen- und/oder Glaubenskrise ist die Predigt von Reinhard Kardinal Marx bei der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Paderborn interessant, wo er einen Teil der Krise darin vermutet, "dass unsere Rede von Gott und unsere Rede zu Gott manchmal zu verharmlosend, zu kitschig, zu banal, zu kleinkariert, zu sentimental und gedanklich anspruchslos war und ist..."

"Für mich ist klar: Gotteskrise und Kirchenkrise sind miteinander verbunden, denn es geht ja nicht um eine Krise Gottes selbst, sondern um eine Krise unserer Rede von Gott, unseres Bekenntnisses zu Gott. Es geht um die Vollzüge des kirchlichen Lebens, die auf Gott ausgerichtet sind. Es geht um die Art und Weise unseres Gebetes, unserer Liturgie. Es geht darum, authentisch zu vermitteln, was es heißt, wenn wir von der absoluten Priorität Gottes und seines Handelns reden, also von der sakramentalen Struktur, die ja gerade für die katholische Kirche von so hoher Bedeutung ist. Ja, es geht um die Frage, ob Gott existiert und ob wir ihn finden können, oder besser: ob er uns findet und ob es Wege zu ihm gibt. Aber ob die Kirche in ihrer Verkündigung und vor allem in ihren sakramentalen Vollzügen, also in ihrem Gebet und in ihrer Liturgie, etwas aufscheinen lässt vom absoluten Geheimnis Gottes? Kann es sein, dass ein Teil der Krise unseres kirchlichen Lebens auch darin besteht, dass unsere Rede von Gott und unsere Rede zu Gott manchmal zu verharmlosend, zu kitschig, zu banal, zu kleinkariert, zu sentimental und gedanklich anspruchslos war und ist? Ich will damit die Diskussion um Strukturen und Veränderungswünsche im konkreten kirchlichen Leben nicht einfach beiseite schieben, aber zentral ist und bleibt die Frage nach Gott, die Suche nach dem Geheimnis, das größer ist als alles, was wir denken und aussprechen können."
Wortlaut der Predigt von Kardinal Marx auf domradio.de

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