Donnerstag, 28. August 2014

Wenn aus Ehrfurcht Furcht wird

Interessant und sehr treffend!  Limburg steht hier exemplarisch auch für die Situation in anderen Diözesen. "Scherbenhaufen" (wie der Autor des Beitrages schreibt) gibt es leider nicht nur in Limburg.
Das Buch habe ich schon gekauft.
Und wieder einmal ein fundierter Beitrag für die Notwendigkeit von Reformen in der katholischen Kirche. Insbesondere auch was das Bischofsamt betrifft.

Warum konnte ein Bischof wie Franz-Peter Tebartz-van Elst die katholische Kirche so tief in die Krise stürzen? Ein Buch analysiert die Limburger Kirchenkrise und ihre Folgen.

Wieso konnte der damalige Bischof von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst, so lange offenbar ungehindert schalten und walten, wie es ihm beliebte? Weshalb war da niemand, der ihn stoppen oder doch wenigstens auf einen anderen Weg als den der Lüge, Verschwendung und der Gängelung von Mitarbeitern und pastoralem Personal führen wollte und konnte?

Vielleicht gibt Klaus Lüdicke auf diese Fragen die beste Antwort. „Es ist der Respekt vor dem Amt, der dazu beiträgt, dass Mitarbeiter der Kirche nicht den Mut finden, sachlich notwendige Einwände gegen das Handeln kirchlicher Oberer [vorzutragen], wenn es eigentlich ihre dienstliche Aufgabe wäre, Stellung zu nehmen“, schreibt der Kirchenrechtler Lüdicke mit Blick auf die Limburger Geschehnisse. Der „geschuldete Respekt“, so Lüdicke, die „Ehrfurcht vor dem Amt“, könne leicht in Furcht umkippen, „die einen notwendigen Einspruch gegen bischöfliche Anordnungen unterdrückt“.

Franz-Peter Tebartz-van Elst ist am 26. März als Bischof von Limburg zurückgetreten, sein Umzug nach Regensburg steht unmittelbar bevor. Zurück lässt er einen Scherbenhaufen, dessen nähere Betrachtung immerhin die Chance bietet, es künftig besser machen zu können.

„Der Fall Tebartz-van Elst – Kirchenkrise unter dem Brennglas“ heißt das gerade bei Herder erschienene Buch, das eben diesen Versuch unternimmt, aus Schaden klug zu werden. Dieser gut 200 Seiten starken Sammlung von Aufsätzen zur Causa Tebartz sind die Zitate Lüdickes entnommen, der bis 2008 am Institut für Kanonisches Recht der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster Kirchenrecht lehrte. Herausgegeben hat den Band der Direktor des Katholischen Zentrums Haus am Dom in Frankfurt, Joachim Valentin. 
Darin skizziert der FAZ-Redakteur Daniel Deckers noch einmal die Historie des Skandals, von der Wahl des Bischofs bis zu dem Tag, an dem ein „selbst gezimmertes Lügengebäude“ Tebartz-van Elst unter sich begraben habe. Da waren der Flug in die Slums von Indien, die immense Kostensteigerung für den neuen Bischofssitz, die dramatischen Einbrüche bei Kollekten für Hilfswerke und die explodierende Zahl von Kirchenaustritten. 

„Das Vertrauen in die Integrität und die Dignität des Bischofsamtes, das nach dem Missbrauchsskandal mühevoll wiederaufgebaut wurde, ist wohl unwiederbringlich dahin“, schreibt Deckers.
Dabei scheint es Christian Klenk, Mitarbeiter am Studiengang Journalistik der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, verfehlt, den Medien eine Skandalisierung anzulasten. Die Kirche stehe vielmehr zu recht unter besonderer Beobachtung, weil sie für sich in Anspruch nehme, innerhalb der Gesellschaft ein Wächteramt wahrzunehmen.
 
Sie predige Normen und Tugenden und mahne deren Einhaltung an – „und muss sich an ihren eigenen Maßstäben messen lassen“, wie Klenk schlussfolgert. Es gehe um die Glaubwürdigkeit einer moralischen Instanz. Komme es dort zu Verfehlungen, sei dies keine innerkirchliche Angelegenheit. Und so geht die Causa Tebartz – jenseits von Voyeurismus und Schadenfreude – auch jene an, die der Kirche nicht nahestehen.

Das von Valentin herausgegebene Buch verfolgt ausdrücklich nicht die Absicht, fertige Lösungen für mögliche Reformen an Bischofsamt und Kirchenstrukturen anzubieten. Vielmehr soll aus der Analyse der Ereignisse ein Verständnis davon gewonnen werden, was geschehen ist und „welche Mentalitäten und Strukturen dafür verantwortlich waren“, wie es im Vorwort heißt.

Einige vorsichtige Ansätze für notwendige Veränderungen bieten die Autoren aber doch. Angefangen bei der Auswahl geeigneter Kandidaten für das Amt des Diözesanbischofs bis hin zur besseren Kontrolle der kirchlichen Vermögensverwaltung, wie sie der Kirchenrechtler Thomas Schüller fordert, der von 1993 bis 2009 die Stabsstelle Kirchliches Recht im Bistum Limburg leitete und 1997 bis 2001 vier Jahre lang persönlicher Referent des damaligen Limburger Bischofs und Tebartz-Vorgängers, Franz Kamphaus, war.
Es ist dem Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz vorbehalten, das letzte Wort im „Fall Tebartz-van Elst“ zu sprechen. „Eben langt’s!“ ist sein Beitrag überschrieben, der die Dinge aus Frankfurter, also aus großstädtischer Perspektive betrachtet. Am neuen Bischofssitz in Limburg lässt zu Eltz kein gutes Haar, nennt es Spukhaus und Spiegelkabinett, eine tief in den Felsen gegrabene Fluchtburg.

„Den Limburger Domberg sieht man von Frankfurt aus nicht. 75 Kilometer sind ein ausreichender Abstand“, stellt zu Eltz mit Erleichterung fest. Und doch: „Sechs lange Jahre Despotie und Duckmäusertum haben die stolze Stadtkirche schwer belastet“, stellt der Stadtdekan fest, der als Mitglied des Limburger Domkapitels sich selbst nicht von Schuld freisprechen kann und will: „Wie konnte das […] sein, dass wir sahen, ohne zu erkennen, und hörten, ohne zu verstehen?“, fragt er. Verstockung heiße das bei den Propheten. Und die Frage bleibe: „Sind wir jetzt gegen Totalitarismus gefeit?“

Das Buch:
Der >Fall< Tebartz-van Elst Joachim Valentin (Hg.), Verlag Herder 2014, 208 Seiten

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