Mittwoch, 4. März 2015

"Die Bischöfe sollen jetzt ihre Verantwortung wahrnehmen."


„Ich mache nicht mehr mit“
Die Zeit drängt, um neue Wege in der Pfarrseelsorge zu gehen, betont Propst Johannes Holzinger. Eines will er sicher nicht mehr machen: 75-jährigen Priestern statt der Pensionierung weitere Pfarren zuteilen.

Die Seelsorge in den Stiftspfarren zu gewährleisten – darin besteht eine der Hauptaufgaben für einen Propst. Doch es wird immer schwieriger, für jede Pfarre einen Chorherren als Pfarrer zu bestellen. Und das Durchschnittsalter des Konvents ist bei 70 Jahren. Wie soll das weitergehen?
Propst Holzinger: Ich spüre das als große Last. Ich muss mich vor die Leute in den Stiftspfarren stellen und ihnen sagen: Ihr bekommt keinen Pfarrer mehr. Wie erst vor wenigen Monaten geschehen, muss ich einen 75-jährigen Mitbruder bitten, noch nicht in Pension zu gehen und zu seinen zwei Pfarren noch eine weitere dazuzunehmen. Man weiß, man darf das als Vorgesetzter nicht tun, und trotzdem ist man dazu gezwungen. Ich komme mir als unverantwortlich vor.

Warum machen Sie mit?
Holzinger: Ich werde auch nicht mehr mitmachen. Das heißt: Ich werde keinen Mitbruder mehr bitten, eine zusätzliche Pfarre zu übernehmen. Das bin ich dem Alter vieler Mitbrüder schuldig und andererseits möchte ich auf die Gesundheit der Jüngeren achten.

Wie soll es weitergehen?
Holzinger: Man muss sich eingestehen: Die Versorgung der Pfarren mit Priestern ist am Zusammenbrechen. Ich halte auch nichts davon – wie das mancherorts in Deutschland geschieht –, durch die Schaffung von Großpfarren die Behebung des Priestermangels vorzutäuschen. Was wir brauchen, sind neue Modelle. Die kann ich aber nicht machen.

Wer dann?
Holzinger: Aus meiner Sicht sind jetzt die Bischöfe gefordert. Bischof Kräutler hat Papst Franziskus von den vielen Gemeinden seiner Diözese erzählt, die wegen fehlender Priester nur ein bis zweimal im Jahr Eucharistie feiern können. Der Papst hat geantwortet: Die Bischöfe sollen kühne und mutige Vorschläge machen, wie man die Situation ändern könnte. Die Bischöfe sollen jetzt ihre Verantwortung wahrnehmen. Die Zeit drängt. Wenn der Papst schon um Vorschläge bittet, da wäre ich schneller in Rom als ein E-Mail.

Seelsorgeteams, Pfarr- und Pastoralassistent/innen, ausländische Priester – die Diözese hat Wege eröffnet, dass die Pfarren lebendig bleiben können. Finden Sie das nicht als hilfreich?
Holzinger: Ja, sehr sogar, und ich bin froh, dass es sie gibt. Und ich bin auch für das große ehrenamtliche Engagement in den Stiftspfarren dankbar. Aber wir brauchen trotzdem neue Wege, die in der Öffnung des Priesteramts für verheiratete Männer bestehen könnten. Es bräuchte auch Signale in Richtung Frauen. Ich denke hier an das Diakonenamt.

Wir haben über Krise, Probleme und Schwierigkeiten gesprochen. Gibt es etwas, was Ihnen Anlass zu Optimismus gibt?
Holzinger: Die Menschen haben eine große Sehnsucht nach Beheimatung. Auf diese Sehnsucht hat  die Kirche eine Antwort: Sie kann Gemeinschaft anbieten und auf eine Hoffnung verweisen, die nicht zugrunde geht, sie kann Jesus Christus verkünden – Jesus Christus ist die Mitte unserer Verkündigung. Das ist doch wirklich Grund optimistisch zu sein. Auch im Blick auf die fast 950-jährige Geschichte unseres Klosters bin ich nicht pessimistisch. Es hat schon viele Tiefs gegeben. Und immer wieder ist es weiter- und aufwärts gegangen.

Was kann man jetzt machen, wenn man nicht darauf warten will, was „oben“ entschieden wird?
Holzinger: Mir ist es wichtig, nicht untätig zu sein, sondern mit allen Sinnen Ausschau zu halten, wohin Gott seine Kirche führen und wohin er sie verändert haben will. Es gilt, den Willen der Liebe Gottes zu erspüren. Mich begleitet der Satz aus dem zweiten Timotheusbrief: Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit (2 Tim 1,7).

Was wird Ihre größte Herausforderung in den nächsten Jahren als Propst sein?
Holzinger: Bis zum Ende meiner Amtszeit werden wir Florianer Chorherren aus eigener Kraft nicht einmal mehr annähernd unsere Aufgaben in den Pfarren und im Stift bewältigen können. Davor darf man die Augen nicht verschließen.
Meine Verantwortung sehe ich darin, vernünftige Übergänge zu schaffen und zu verantworten, was nicht mehr geht. In den nächsten drei Jahren möchten wir ein Programm erarbeiten, das den jüngeren Mitbrüdern Freiheit und neue Gestaltungsräume verschafft. Im Vertrauen auf das Wirken Gottes wird uns das gelingen. 

Quelle: kirchenzeitung.at


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