Dienstag, 4. Juli 2017

Vorarlberg: Ein Unbequemer hört auf


Ein Unbequemer hört auf
Joe Egle feiert morgen sein 50-jähriges Priesterjubiläum und tritt im Herbst als Pfarrer von Gaschurn ab.

Gaschurn. (VN-kum) Der braungebrannte 76-Jährige sitzt vor dem Computer und stellt die Fotos, die er heute bei einer Bergtour gemacht hat, auf Facebook. Auf dem Bildschirm sieht man Bilder von Pflanzen. „Ich möchte Menschen die Natur nahebringen“, begründet Joe Egle sein Tun. Der Pfarrer hält sich häufig und liebend gern in der Natur auf. „Dort begegne ich dem Göttlichen.“ Im vorigen Sommer zog er sich 200 Mal die Bergschuhe an.

Oft sammelt er auf seinen Bergtouren Kräuter, Beeren und Wurzeln, denn seit 25 Jahren setzt der Geistliche Heilschnäpse an, was ihm den Spitznamen „Schnapspfarrer“ eingebracht hat. Egle weiß, welche Pflanzen gegen welche Wehwehchen helfen. Dieses Wissen vermittelten ihm einst seine Mutter und seine Ahna. Die Herstellung von Heilschnäpsen sieht er als eine Form der Seelsorge an. „Auch auf diese Weise kann ich Menschen helfen.“

Die Menschen seelsorgerisch zu erreichen und ihnen Hoffnung zu geben: Darum ging es ihm immer in seinem Beruf. Deshalb gab der begeisterte Skifahrer auch 14 Jahre lang nebenher Skiunterricht. „So gelang es mir, mit den Skilehrern in Kontakt zu kommen.“ Um an die Bergretter heranzukommen, trat Hochwürden auch der Bergrettung Partenen bei.

Joe, wie ihn die Gaschurner freundschaftlich nennen, wollte Menschen begegnen und ihnen die Botschaft Jesu verkünden. Deshalb ergriff er vor 50 Jahren den Priesterberuf. Er hat diese Berufswahl nie bereut. Könnte er die Zeit zurückdrehen, würde er heute von Herzen gern wieder als junger Pfarrer zu arbeiten beginnen. „Es wäre spannend, die Veränderungen in der Kirche mitzuerleben.“ Die Kirche müsse sich verändern. „Wenn sie das nicht tut, dann gibt es sie in 50 Jahren nicht mehr“, ist er überzeugt.

Egle war immer ein Unbequemer und hat sich nie ein Blatt vor den Mund genommen. „Was mir nicht passt, sage ich.“ Und es passt ihm einiges nicht in der Kirche: Er versteht zum Beispiel nicht, warum den Priestern der Zölibat nicht freigestellt wird, warum es noch immer kein Frauenpriesterum gibt und „die Bischöfe nach wie vor in Faschingskleidern herumrennen“.

In seinen Predigten hat der gebürtige Koblacher schon oft den Reformstau in der Kirche angeprangert. Vielleicht sind sie deshalb so beliebt. „Manchmal fragen mich Messbesucher, ob sie die Predigt nicht schriftlich haben können.“

Die Kirche, so glaubt Egle, könnte wieder erstarken, „wenn sie einen Schritt zurück zur Lehre Jesu macht“. Die Botschaft von Christus will der langjährige Gaschurner Pfarrer, der mit Erwin Kräutler seit Kindheitstagen befreundet ist, auch im Ruhestand verkünden: „Das ist mein Leben.“ Als Vertreter des Pfarrers wird Egle weiterhin Messen halten und seelsorgerisch tätig sein.
Quelle: Vorarlberger Nachrichten >>

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